Inflation, Schulden & Co.

Das große Versteckspiel sollte man kennen

Um die Inflationsrate in Deutschland ist es in den Medien aktuell ruhig geworden. Das beherrschende Thema ist im Moment das für viele als Bedrohung angesehene "Heizungsgesetz" von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und die Familienverstrickungen seines inzwischen in den einstweiligen Ruhestand versetzten Staatssekretärs Patrick Graichen. Dabei liegt die offizielle Inflationsrate, gemessen am Verbraucherpreisindex (VPI), aktuell immer noch bei 6,1 Prozent im Vergleich mit dem bereits stark erhöhten Vorjahresniveau. Doch die im Alltag gefühlte Inflationsrate ist deutlich höher. Rechnet die Politik die Zahlen schön, wie auch die Schulden, das Wachstum und die Arbeitslosigkeit? Schauen wir uns das mal genauer an.

Inflationsrate

Als eigentliche Inflation wird in der Ökonomie die Ausweitung der Geldmenge im Verhältnis zum Güter- und Dienstleistungsangebot gesehen. 2009 lag die Geldmenge M3 in der Eurozone bei rund 9 Billionen Euro und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ebenfalls bei rund 9 Billionen Euro. Das ergibt ein Verhältnis von 1:1. Heute liegt M3 bei 16 Billionen Euro und das BIP bei rund 13,4 Billionen Euro. In 13 Jahren hat sich die Geldmenge im Verhältnis zum BIP also um rund 20 Prozent (1,2:1) aufgebläht (lat. = inflare). Aus Sicht der Geldhalter (Bürger) wurde das Geld damit entwertet, obwohl Stabilität versprochen wurde. Gut abzulesen ist der Euroverfall auch in Relation zu anderen Sachwerten. Bekam man bei der Euroeinführung für einen Euro noch 0,2 Gramm Gold, so sind es heute nur noch 0,02 Gramm Gold. Das ist eine Entwertung des Euro von knapp 90 Prozent. Gegenüber dem Schweizer Franken ist die Euro-Abwertung ebenfalls messbar.

Die offizielle Messung der Inflationsrate erfolgt allerdings über einen sogenannten Verbraucherpreisindex. Dafür wurde ein "repräsentativer" Warenkorb zusammengestellt. Die Preise der zugrungeliegenden über 700 Waren und Dienstleistungen werden monatlich gemessen und ihre Veränderungen zum VPI gebündelt und mit den Vormonatswerten verglichen. Das Problem daran ist jedoch, dass die Zusammensetzung des Warenkorbes regelmäßig geändert wird, zuletzt zum 1.1.2023. Die nachfolgende Tabelle des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass die Gewichtung der Güterbereiche so modifiziert wurde, dass die Inflationsrate schon alleine aus statistischen Gründen sinkt.

Ins Auge fällt sofort, dass sich das Gewicht für "Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe" von 252 auf 165 Promille reduziert hat, obwohl gerade dieser Kostenblock im Alltag durch die vielen Krisen signifikant steigt. Auch ist das Gewicht für Nahrungsmittel nur moderat angehoben worden. Angesichts von Steigerungen der Lebensmittelpreise in den Supermärkten von mehr als 30 Prozent ist das wenig glaubwürdig. 

Mehr zu den Methoden des Statistischen Bundesamtes finden Sie hier

Kritiker der offiziellen Inflationsmessung wie der Leipziger Ökonomie-Professor Gunther Schnabl bemängeln zudem, dass bei der sogenannten hedonischen Messweise Qualitätsverbesserungen von Produkten und Dienstleistungen als Preissenkungen statistisch berücksichtigt werden. Damit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Qualitätsverschlechterungen, die sich z. B. durch reduzierte Öffnungszeiten in Gastronomie und Handel oder durch den Ersatz von persönlichem Service durch Chatbots bemerkbar machen, bleiben dagegen unberücksichtigt. Auch die spürbaren Verschlechterungen öffentlicher Infrastruktur, Dienstleistungen und Bildung gehen nicht als Preiserhöhungen ein in die Berechnung des VPI. 

Die offizielle Inflationsrate von aktuell 6,1 Prozent dürfte für viele auch deswegen höher sein, weil Wohnen, Energie und Lebensmittel für die meisten Bundesbürger ein höheres Gewicht im monatlichen Budget haben als bei den Gutverdienern und Reichen. Es scheint so, als wolle die Politik die für die Masse relevanten Werte verschleiern. Über die Gründe kann man nur spekulieren.

Für die USA gibt es übrigens mit http://www.shadowstats.com eine Plattform, mit der man den Verbraucherpreisindex nach alten Methoden berechnen kann. Danach liegt die Inflationsrate in den USA nicht bei 5 Prozent, sondern bei 10-15 Prozent.

Weitere Kennzahlen

Das Versteckspiel wird auch auf andere Bereiche übertragen. So werden neue Schulden heute zunehmend als "Sondervermögen" deklariert, die den offiziellen Schuldenstand nicht berühren. Auch tauchen die impliziten Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden nicht auf. Sie entstehen durch nicht bilanzierte Rückstellungen für Pensionen und Zuschüsse für die Renten- und Sozialkassen. Der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen schätzt diesen nicht ausgewiesenen Betrag je nach Zinssatz auf 10 bis 15 Billionen Euro zusätzlich zur offiziellen öffentlichen Verschuldung von knapp 3 Billionen Euro. Jahr für Jahr werden aus den impliziten Schulden explizite, weil neue Pensionen nicht durch das laufende Steueraufkommen, sondern nur durch Neuverschuldung finanziert werden können.

Und es geht weiter mit der Verschleierung: Die wohl nicht einbringlichen Target2-Forderungen der Bundesbank gegenüber den Südländern belaufen sich mittlerweile auf über 1,2 Billionen Euro. Darauf hat vor einigen Jahren Star-Ökonom Prof. Hans-Werner Sinn in seinem Bestseller "Die Target-Falle" hingewiesen. Auch die "echten" Arbeitslosenzahlen dürften trotz Fachkräftemangel bei 5-6 Millionen liegen. Und schließlich: Das durchnittliche reale Wirtschaftswachstum betrug in den letzten 30 Jahren in Deutschland gerade einmal 1,3 Prozent. Nun befindet sich Deutschland in der Rezession, obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz erst kürzlich ein Wirtschaftswunder versprochen hat.

Für Entscheider in mittelständischen Unternehmen ist es daher wichtig, die offiziellen ökonomischen Zahlen "richtig" zu beurteilen, um keine unternehmerischen, auf falschem Optimismus beruhende Fehlentscheidungen zu treffen.

Autor: Diplom-Ökonom Dr. Michael A. Peschke

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